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Deutsches Sanktionsstrafrecht wird europäischer

Deutschland will Harmonisierungsrichtlinie und sonstige EU-Regeln umsetzen

Am 14. August 2025 hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE) einen Referentenentwurf zur Anpassung von Straftatbeständen und Sanktionen bei Verstößen gegen restriktive Maßnahmen der Europäischen Union veröffentlicht. Der Gesetzesentwurf novelliert insbesondere die außenwirtschaftsrechtlichen Straf- und Bußgeldtatbestände der §§ 18, 19 des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG) sowie des § 82 der Außenwirtschaftsverordnung (AWV).

Der Entwurf dient der Umsetzung der Richtlinie zur Definition von Straftatbeständen und Sanktionen bei Verstoß gegen restriktive Maßnahmen der Union (Richtlinie). Die bereits im April 2024 in Kraft getretene Richtlinie dient dazu, EU-weit bestimmte Mindeststandards zur Bestrafung von Sanktionsverstößen zu schaffen. Sie schafft dafür unionsweite Definitionen von Straftatbeständen (Art. 3 und 4 der Richtlinie) und macht Vorgaben für die Straf- bzw. Bußgeldhöhe (Art. 5 ff. der Richtlinie). Weitere Details können unserem Briefing zur Richtlinie entnommen werden.

Daneben hat das BMWE einen bislang nicht im Internet veröffentlichten Entwurf für eine 22. Änderungsverordnung zur Außenwirtschaftsverordnung ausgearbeitet, der u.a. weitere Neuerungen für den Bußgeldkatalog des § 82 AWV enthält. Hierbei werden auch Änderungen an der Ausfuhrliste vorgenommen, um internationale Vorgaben umzusetzen. Wir beleuchten nachstehend die wesentlichen Inhalte der geplanten Änderungen.

Der neue Referentenentwurf

Der Referentenentwurf setzt im Wesentlichen die Vorgaben der Richtlinie um. Da das AWG viele von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie genannten Sanktionsverstöße bereits als Straftat definiert, sind lediglich Ergänzungen und Anpassungen der bestehenden Regelungen vorgesehen.

Neue und neugefasste Straftatbestände

Die Straftatbestände des § 18 Abs. 1 AWG werden neugefasst und differenzierter gestaltet sowie um Verstöße gegen weitere Arten von Sanktionsvorschriften ergänzt:

  • Der in § 18 Abs. 1 Nr. 1 AWG-E enthaltene Straftatenkatalog soll nunmehr z.B. auch Verstöße gegen Verbringungs- und Handelsverbote, Transaktionsverbote mit Staatsunternehmen sowie Verbote der Auftragsvergabe an einen Drittstaat oder an drittstaatliche Organisationen oder Einrichtungen erfassen (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 lit. a, e und f AWG-E).

  • Daneben konkretisiert der Gesetzgeber einige Sanktionsverstöße, die bisher nur generalklauselartig aufgeführt waren. Das gilt z.B. für die bislang von § 18 Abs. 1 Nr. 1 lit. b und c AWG umfassten Dienstleistungs- und Verfügungsverbote. Diese werden in konkretere Tatbestände überführt – wie z.B. einerseits die Erbringung von technischer Hilfe, Finanzdienstleistungen oder Beratungsdienstleistungen, andererseits die Bewegung oder Verwendung von eingefrorenen Vermögenswerten (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 lit. b bis d und Nr. 2 AWG-E).

  • § 18 Abs. 1 Nr. 3 AWG-E soll bestimmte Umgehungskonstellationen im Zusammenhang mit eingefrorenem Vermögen erfassen. Strafbar macht sich hiernach, wer über eingefrorenes Vermögen einer gelisteten Person verfügt, um diese Vermögenswerte zu verschleiern, sowie derjenige, der falsche oder irreführende Informationen zur Verschleierung eingefrorenen Vermögens bereitstellt.

  • Erweitert wird auch die Strafbarkeit eines Verstoßes gegen Meldepflichten:

    Der bislang auf Art. 9 Abs. 2 der VO (EU) Nr. 269/2014 beschränkte § 18 Abs. 5a AWG wird nun allgemein gefasst, um zukünftige Meldepflichten in anderen Sanktionsregimen zu erfassen (§ 18 Abs. 5a Nr. 1 AWG-E).

    Zudem sollen Verstöße gegen Meldepflichten auch strafbewehrt werden für nicht-sanktionierte Personen, die Informationen über eingefrorenes Vermögen in Ausübung einer Berufspflicht erlangen und diese entgegen einer sog. Jedermannspflicht nicht melden (§ 18 Abs. 5a AWG-E). Davon nicht erfasst sind Verstöße gegen Meldepflichten im Zusammenhang mit anderen Sanktionen, die weiterhin von § 19 Abs. 5 AWG als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße geahndet werden.

    § 18 Abs. 13 AWG-E sieht insoweit zudem eine Ausnahme für zur Vertretung in rechtlichen Angelegenheiten berechtigte Berufsgruppen vor.

    Die bisherige Möglichkeit der strafbefreienden Nachholung einer unterlassenen Meldung (§ 18 Abs. 13 AWG) soll dagegen entfallen. Insoweit verbleibt nur die allgemeine Möglichkeit, eine freiwillige Offenlegung vorzunehmen, die i.d.R. bei der strafrechtlichen Würdigung durch die zuständigen Behörden wohlwollend berücksichtigt wird.

  • Leichtfertige Verstöße gegen güterbezogene Sanktionen sollen nach § 18 Abs. 8a AWG-E strafbewehrt werden, wenn sich die Verbote auf Güter beziehen, die in Anhang I bzw. IV der Dual-Use-Verordnung aufgeführt sind. Grob fahrlässige bzw. leichtfertige Verstöße gegen Militärgüterbeschränkungen sind bereits nach § 17 Abs. 5 AWG strafbar.

  • Schließlich soll die Ermöglichung der Einreise sanktionierter Personen durch eine Änderung des Aufenthaltsgesetzes strafbewehrt werden (§§ 14 Abs. 3, 95a AufenthG-E).

Neue Ausnahmen, aber keine „Schonfrist“ mehr

Ausnahmen von den Straftatbeständen des § 18 AWG werden vorgenommen, wenn der Sanktionsverstoß als humanitäre Hilfe für eine bedürftige Person oder als Tätigkeit zur Unterstützung grundlegender menschlicher Bedürfnisse begangen und im Einklang mit den Grundsätzen der Unparteilichkeit, Menschlichkeit, Neutralität und Unabhängigkeit und mit dem humanitären Völkerrecht erbracht wird (§ 18 Abs. 11 AWG-E). Mit diesem Zusatz soll ausgeschlossen werden, dass die Ausnahmeregelung z.B. zugunsten von Terroristen greift, auch wenn es sich im Einzelfall bei diesen um bedürftige Personen handelt (Gesetzesentwurf, S. 28).

Mit der Neufassung des § 18 Abs. 11 AWG soll die als Strafausschließungsgrund normierte Schonfrist wegfallen. Bisher war eine Strafbarkeit ausgeschlossen, wenn der Sanktionsverstoß bis zum Ablauf des zweiten Werktags nach Veröffentlichung der relevanten Sanktionsverordnung erfolgt ist und der Täter von dem Verbot der der Genehmigungspflicht keine Kenntnis hatte. Dies soll nunmehr entfallen, was schon im Zusammenhang mit einem früheren Referentenentwurf für Kritik gesorgt hatte (z.B. hier, S. 6).

Strafzumessung und Höhe der Geldbuße

Neuregelungen auf dem Gebiet der Strafzumessung sind spärlicher. § 18 Abs. 6a AWG-E sieht eine erhöhte Strafandrohung von sechs Monaten bis zu zehn Jahren in besonders schweren Fällen der Verstöße gegen güterbezogene Sanktionen vor. Die Regelbeispiele beziehen sich dabei auf Falschangaben gegenüber Behörden oder das Einschalten von Drittstaat-Gesellschaften, um einen Sanktionsverstoß zu verschleiern.

Auf der anderen Seite wird das Maximalbußgeld, das gegen ein Unternehmen, deren Geschäftsführung oder Mitarbeiter einen strafbaren Sanktionsverstoß begehen, von EUR 10 Mio. auf 40 Mio. angehoben (§ 19 Abs. 7 und 8 AWG-E). Damit wird Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie umgesetzt. Das BMWE hat sich damit gegen eine Bebußung anhand des globalen Jahresumsatzes entschieden.

Weitere Änderungen

Fahrlässige Verstöße gegen Sanktionsvorschriften sollen auch weiterhin grundsätzlich als Ordnungswidrigkeit nach § 19 Abs. 1 AWG ausgestaltet sein. Allerdings werden fahrlässige Zuwiderhandlungen gegen Auftragsvergabeverbote sowie gegen strafbewehrte Meldepflichten vom Bußgeldtatbestand ausgenommen.

Die Änderungen von § 18 AWG werden auch in § 82 AWV nachvollzogen. So werden aus der Liste der Ordnungswidrigkeiten Sanktionsverstöße gestrichen, die nunmehr gem. § 18 AWG strafbar sind.

Ferner soll klargestellt werden, dass die zuständigen Behörden beim Vollzug von Sanktionen ein Auswahlermessen haben und insbesondere einem priorisierenden Ansatz folgen können (§ 13 Abs. 7 AWG-E).

Schließlich enthält der Referentenentwurf mehrere redaktionelle Anpassungen sowie eine Änderung des Zollfahndungsdienstgesetzes (ZFdG). Das Zollkriminalamt soll auf eine bessere Koordinierung und Zusammenarbeit von den Strafverfolgungsbehörden und den für die Sanktionsdurchsetzung zuständigen Behörden hinwirken (§ 3 Abs. 13 ZFdG-E).

AWV-Novelle

Zusätzlich zum Referentenentwurf hat das BMWE eine 22. Verordnung zur Änderung der AWV ausgearbeitet. Im Wesentlichen sollen die folgenden Änderungen erfolgen:

Einerseits soll Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste neugefasst und an bereits 2023 vereinbarte Änderungen des Wassenaar Abkommens für konventionelle Rüstungsgüter angepasst werden.

Andererseits sollen weitere Verstöße gegen Sanktionsvorschriften als Bußgeldtatbestände in § 82 AWV definiert werden, die nicht bereits von §§ 18, 19 AWG erfasst sind. Dazu zählen verschiedene Verstöße gegen die Belarus-, Iran-, Nordkorea- und Russland-Sanktionen. Die weitgehende Aussetzung der Syrien-Sanktionen wird darüber durch Streichen entsprechender Bußgeldtatbestände nachvollzogen.

Ausblick

Die Ampel-Regierung hatte bereits im November 2024 einen Gesetzesentwurf zur Umsetzung der Richtlinie ausgearbeitet. Dieser wurde jedoch wegen des vorzeitigen Endes der Legislaturperiode nicht fristgerecht umgesetzt. In der Folge hat kürzlich die Europäische Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren unter anderem gegen Deutschland in die Wege geleitet.

Mit dem Gesetzesentwurf kommt der deutsche Gesetzgeber seiner Umsetzungspflicht nach. Da die Umsetzung eilt, ist eine schnelle Beschlussfassung zu erwarten. Inhaltlich deckt sich der Entwurf dabei größtenteils mit dem Entwurf von November 2024, sodass größere inhaltliche Änderungen nicht mehr zu erwarten sind.

Die AWV-Änderungsverordnung würde den Gesetzesentwurf ergänzen und weitere Sanktionsverstöße pönalisieren. Insbesondere mit Blick auf die Russland- und Belarus-Sanktionen würden so Lücken gefüllt, die nicht bereits durch bestehende Vorschriften und den Gesetzesentwurf abgedeckt sind. Dazu gehören Beförderungsverbote für Kraftfahrzeugunternehmen oder Anlaufverbote für gelistete Schiffe sowie von § 18 Abs. 1 AWG-E nicht erfasste Verstöße gegen weitere Transaktions- und Vergabeverbote.

Die Straf- bzw. Bußgeldbewehrung wird allerdings auch nach Inkrafttreten der geplanten Änderungen nicht lückenlos. Weiterhin nicht strafbewehrt oder bußgeldbewehrt bleiben z.B. Weitergabeverbote bzgl. geistigen Eigentums und Geschäftsgeheimnissen, die insbesondere die Russland-bezogenen Handelsbeschränkungen flankieren (z.B. jeweils Abs. 2 Buchst. c der Art. 2, 2a oder 3k der Verordnung (EU) Nr. 833/2014). Dasselbe gilt z.B. für die Pflicht zur vertraglichen Untersagung der Wiederausfuhr bestimmter Güter nach Russland und Belarus (Art. 12g der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 und Art. 8g der Verordnung (EG) Nr. 765/2006). Dies stellt eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers dar (vgl. Gesetzesentwurf, S. 2), die nicht in Konflikt mit den Vorgaben der Richtlinie steht und deutlich macht, dass nicht jeder Sanktionsverstoß gleichermaßen straf- oder bußgeldwürdig ist.

Andererseits erhöht die gestiegene Kriminalisierung von Sanktionsverstößen den Druck auf EU-Wirtschaftsbeteiligte weiter. Sie können sich künftig unmittelbar ab Inkrafttreten von Sanktionsverschärfungen Strafbarkeitsrisiken ausgesetzt sehen. Eine robuste Sanktions-Compliance wird daher immer wichtiger. Da die jüngsten Sanktionsmaßnahmen der EU zudem immer mehr nicht sanktionierte Drittstaaten einschließen, gilt diese Beobachtung nicht nur für Unternehmen, die direktes Geschäft mit sanktionierten Ländern tätigen.

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BLOMSTEIN wird Sie über die weiteren Entwicklungen auf dem Laufenden halten. Bei Beratungsbedarf und anderen Fragen zum Sanktionsrecht und zu Trade Compliance stehen Ihnen Dr. Roland M. Stein, Dr. Laura Louca, Dr. Tobias Ackermann sowie das gesamte Team jederzeit gerne zur Verfügung.

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